Es ist nicht so, dass mir die Konsequenzen nicht bewusst waren. Ich war mir dessen vollkommen im klaren. Wusste auf was ich mich einlasse. Welchen Kodex ich Tag für Tag vor meinen Augen haben muss. Das alles nimmt kein gutes Ende. Das tut es nie. Dennoch mache ich weiter, weil ich dieses eine Ziel vor Augen habe. Aber bis dahin werden noch Jahre vergehen, also muss ich durchhalten. Weiter machen, wie bisher. Den ganzen Mist in Scotch ersaufen und hoffen, dass es bald ein Ende nehmen wird.
Vielleicht sogar ein gutes, wer weiß. Noch vor zwei Jahren war alles normal. Ich wollte damals sogar, aus reiner langeweile, Tagebuch schreiben. Sogar ein eintöniges Leben könnte es wert sein, gelesen zu werden - Vorausgesetzt der Verfasser lege großen Wert auf Details. Und so begann ich zu schreiben. Aber alle Details der Welt reichten nicht aus, um die ersten 16 Jahre meines Lebens lesenswert zu machen. Mir wurde erzählt, dass es für Kinder am besten sei, wenn ihr Leben in einer gleichförmigen Regelmäßigkeit verlaufe. Nun, in meinem Leben gab es mehr Gleichförmigkeit als bei den meisten anderen. Aus diesem Grund versuchte ich, mich auf das Wesentliche zu beschränken. Wo ich geboren wurde und wo ich schon alles wohnte. Angefangen von Edingburgh/Schottland bis hin nach Greensboro im US-Bundesstaat North Carolina. Das ich mit meinen Eltern und meinen zwei Schwestern in einem viktorianischem Haus wohne und dass es so viele Zimmer hat, dass nicht alle benutzt werden. Auch das Kuppelzimmer, das sich in der Spitze des angebauten Turms befindet, wurde von niemandem genutzt (später allerdings verbrachte ich viele Stunden damit, durch die kleinen runden Fenster zu starren und mir eine Welt jenseits der Stadt vorzustellen). Am Fuße des Turms befindet sich ein langer Korridor, auf dem sich drei leer stehende Schlafzimmer befanden. Eine breite Treppe, die von einem Absatz mit einem Erkerfenster aus Buntglas unterbrochen wurde, führte hinunter ins Erdgeschoß; der Treppenabsatz war mit einem Teppich ausgelegt, auf dem marokkanische Kissen lagen, an die ich mich oft anlehnte, um zu lesen oder zu den leuchtend roten, blauen und gelben geometrisch geformten Fensterscheiben hinaufzublicken. Buntglas war viel interessanter als der Himmel, der fast das ganze Jahr über aschfahl wirkte und sich im Sommer in schmutziges Himmelblau verwandelte.
Jeden Tag unterrichtete mich mein Vater neben der Schule in der Bibliothek, dazwischen gab es Pausen: eine für Yoga und Meditation und eine zweite für einen kleinen Imbiss. Mein Vater ist ein gebildeter Mann, ihn fand man immer in der Bibliothek, wo er seine Fachzeitschriften liest. Einige waren naturwissenschaftlicher Art, andere literalrischer; er hat eine sonderbare Vorliebe für literaturwissenschaftlicher Artikel über Schriftsteller aus dem neunzehnten Jahrhundert, besonders für Studien über Nathaniel Hawthorne und Edgar Allan Poe. Ich nehme an, dass es seine Vorteile hatte auch noch zu Hause unterrichtet zu werden. Damals, noch in Greensboro, wurde ich nur zu Hause unterrichtet. Ich musste mir keine Gedanken darüber machen, was ich zur Schule anzog oder wie ich Freundschaften schloss. In regelmäßigen Abständen musste ich staatliche Prüfungen ablegen und jedes Mal beantwortete ich alle Fragen richtig. Mein Vater hat mein Gehirn mit Wissen über Geschichte, Mathematik und Literatur vollgestopft; ich kann Latein und ein bisschen Griechisch und Spanisch und mein englischer Wortschatz war so weit entwickelt, dass ich den meisten Erwachsenen die Worte erklären muss, die ich benutze. Und ab und zu unterrichtete mich mein Onkel in naturwissenschaftlichen Fächern. Aber diese Zeiten sind vorbei. Verbannt in die hinterste Ecke meines Gehirns. Wer ich jetzt bin, was mich jetzt ausmacht..weiß ich nicht. Es gibt kein Zurück. Deshalb ist es so schwer sich zu entscheiden.
Man muss die richtige Entscheidung treffen. Solange man sich nicht entscheidet, bleiben alle Möglichkeiten offen..
Morgen muss ich wieder los, ein Auftrag wartet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen